Mehr Zu DEN DREI GUTRUF-Vermeer-VARIATIONEN

Die HOMMAGE Á VERMEER (1973-76) war ein früher, ambitionierter Versuch, Antworten aus zeitgenössischer Sicht auf diverse Erkenntnisebenen dieser Selbstreflexion der Malerei zu geben – in gleicher Größe, aber selbstverständlich ohne dabei die Malweise des Delfter Meisters imitieren zu wollen. Bei Vermeer kann man auf allegorischer Ebene die Malerei (verkörpert durch den Maler) als den Ruhm (Modell als Klio) Hollands (Wandkarte der 17 Provinzen) lesen. Der Verzicht auf die beiden Protagonisten in dieser Hommage ermöglicht die Präsentation eines neuen Bildes auf der Staffelei – einen Panzerüberfall zeigend – und postuliert mit dem Blick in ein künftiges Universum sowie dem neu eingeführten, erst bei genauem Schauen erkennbaren und stark überschnittenen liegenden Akt vorne: die Liebe überwindet die Gräuel der Vernichtung zugunsten einer noch zu realisierenden, aber möglichen besseren Zukunft. Das letzte Jahr der täglichen Arbeit an diesem Bild konnte ich unmittelbar vor dem Original im KHM verbringen, vor allem um den farbigen Eindruck zu studieren. Umso größer war der Schock, als ich 20 Jahre später, nach der Dietrich-Restaurierung der Malkunst, erkennen musste: ich habe den alten, gelben Firnis mitgemalt…
     
Der BLICK IN VERMEERS ATELIER (2010) eröffnet eine neue Sicht der Malkunst durch einen höheren Grad der Aneignung und Verwandlung formaler Elemente. Geblieben ist die farbig reduzierte Erinnerung an den beiseite gerafften Vorhang, der gekachelte Fussboden, darauf der Tisch mit Buch und Maske. Neu sind anstelle der Wandkarte ein Sonnen-Poster und eine Metall-Staffelei, die sinnbildlich die Funktion einer Himmelsleiter übernimmt. Ein Gutruf-Schachtelstillleben, eine grundierte, leere Leinwand auf einem Schemel und Vermeers Malstock vervollständigen die Komposition. Der Hauptakzent dieser Variation ist die Sonne als Ursprung des Lichts, dem eigentlichen Thema des Delfter Meisters. Für SpezialistInnen sind außerdem vier verschiedene, subtil eingearbeitete Perspektiven erkennbar. 2010 wurde auch die wissenschaftliche Untersuchung „The Hidden Geometry in Vermeers The Art of Painting“, die ich zusammen mit Prof. Dr. Hellmuth Stachel von der TU Wien verfasst habe, einem interessierten Fachpublikum in Kyoto vorgestellt und ist seither mehrfach publiziert worden. Die Studie beweist auf verblüffende Art erstmalig und mit Hilfe neuester computergestützter Methoden, warum Vermeer für seine Schilderkunst keine Camera obscura verwendet hat.
     
VERMEERS GEHEIMES VERMÄCHTNIS (2014) zeigt nochmals das unverkennbare, noble Interieur: den zum Atelier umfunktionierten Salon von Vermeers Haus in Delft. Als zentrales Motiv dieser Variation zieht die weiter entwickelte Space-Wandkarte – flankiert an beiden Seiten von jeweils zehn von Stadtansichten zu Gutruf-Maschinenlandschaften mutierten Veduten – die Aufmerksamkeit auf sich. Der Kartentitel ist von der Hommage übernommen. Vorne links, optisch verschmolzen mit dem geknüpften, als Vorhang dienenden Teppich, verbleibt der Sessel und das einleitende Stillleben auf dem tief in den Raum hineinreichenden Tisch. Vertraut sind weiters ein umfangreicher Traktat, Tücher, der rätselhafte Gipsabguss, eine Schachtel sowie das aufgeschlagene Skizzenheft: von seinen überhängenden Seiten springen quasi Funken zum roten Polster des auf dem Staffelei-Abstellbrett gelegten Malstocks. Zahlreiche horizontale und vertikale Transparenzen verspannen und betonen die Flächenkomposition im Hinblick auf ihr Verhältnis zum Bildformat. Maler und Modell haben endgültig den Raum verlassen. Auf der Staffelei befindet sich eine grundierte und sorgfältig vorbereitete, aber noch unbemalte Leinwand, die Vermeers Vermächtnis in sich birgt.